Ein „gutes Erbteil“ – trotz unerfüllter Wünsche

Dorotheas Geschichte

Dorothea hat eine feste Vorstellung vom Leben und weiß, was sie will. Doch was, wenn sich das Glück einfach nicht einstellen will?

Ein Traumprinz zu meiner Rechten, einen Kinderwagen schiebend, zwei weitere Kinder im Schlepptau und ein Golden Retriever zu meiner Linken – das war der Traum meiner Kindheit seit ich denken kann. Als Geschwister haben wir viel Familie gespielt, und mein jüngster Bruder war mir die herzigste Puppe zum knuddeln und rumschleppen – eben ein echtes „Butzele“. Später als Jugendliche habe ich nie an etwas anderes gedacht, als dass ich selbst einmal Mama von mindestens drei Kindern sein würde und ein offenes Haus für Gäste und einen großen Garten haben würde. Der Traumprinz lies lange auf sich warten. Doch er kam. Ein richtiger Prinz. :) Das Glück war unbeschreiblich groß, das Leben rosarot und voller Lebenslust und Freude. Die Aussicht, eine Familie zu gründen, schien in erreichbare Nähe gerückt. Aus tiefstem Herzen stimmte ich in Davids Psalm ein: „Du bist mein Herr, es gibt für mich kein Glück außer DIR. Die Messschnüre sind mir in einer lieblichen Gegend gefallen. Ja, mir wurde ein schönes Erbe zuteil.“ (Psalm 16, 2+5+6)

Doch die Zeit der unbeschwerten Freude währte nicht lange. Der Nachwuchs wollte sich nicht einstellen. Rings um uns explodierten Familien – bei Geschwistern, Freunden, Kollegen… Der Schmerz wurde immer tiefer, die Enttäuschung immer größer. Wo war das Glück, das Gott uns schenken wollte? Warum erhörte er unsere Gebete und die von vielen Freunden nicht? Ich konnte Gott nicht verstehen. Ich wollte, dass er meinen Lebenstraum in Erfüllung gehen lassen würde: eine glückliche, kleine Familie zu haben. Das war doch nicht Zuviel verlangt. Es war doch die selbstverständlichste Sache der Welt. (!?!)

Ich hatte eine kleine Skulptur aus Ton modellierte, um diesem Herzenswunsch Ausdruck zu geben: ein Vater, halb kniend neben seinem kleinen Jungen und den Arm liebevoll um ihn legt. Ein Bild der Nähe, Geborgenheit und Liebe. Wie gerne hätte ich meinen lieben Mann als Papa erlebt. Wie verzehrte und sehnte ich mich danach, Mutter sein zu dürfen. Eines Abends erreichte der Schmerz einen Höhepunkt: ich nahm die Tonskulptur, steckte sie in eine Plastiktüte, ging in der Dunkelheit hinter das Haus und warf sie mit aller Kraft auf den Boden. Nochmals und nochmals. Ich weinte, ich schrie, ich brüllte Gott an: „VATER, ich hasse DICH! Ich halte das nicht mehr aus! Ich kann und will so nicht leben!“ Die Qual meiner Seele entlud sich voll Bitterkeit und Anklage, bis die Figur zertrümmert und in tausend Staubkörnchen aufgelöst im Mülleimer landete. Es folgten Zeiten tiefer Trauer und Seelenqual, der Ablenkung und Verdrängung, des depressiven Nebels, aber auch beruflicher Neuorientierung und seelsorglicher Begleitung durch liebe Menschen. Auf Papier entstand eine lange Liste all dessen, was mit dem Kinderwunsch zusammenhing: Schwangerschaftskleider; Babystrampler kaufen; Kinderzimmer einrichten; die Eltern mit der glücklichen Nachricht überraschen; das erste „Mama“; Schultüte; Familienfreizeiten, … und Vieles mehr. Und so legten wir gemeinsam an einem sonnigen Herbstnachmittag unsere Wunschkinder unter einer großen Buche symbolisch „ins Grab“. Langsam begann ich zu „genesen“.

Dann erkrankte mein geliebter Mann an Krebs. Es schien, als ob der Boden nun vollends unter meinen Füßen weggezogen würde. Ich kam an den Rand meiner seelischen und körperlichen Kräfte. Nach einer durchquälten Nacht schüttete ich mein angstvolles Herz vor Gott aus. Kapitulierend, aber auch trotzig sagte ich: „Herr, ich kann nicht mehr. Mach doch, was DU willst!“ Und da passierte das Wunder: Angst und Verzweiflung verflogen und Friede erfüllte mein Herz. Ich konnte Loslassen und Jesus neu vertrauen und sagen: „Ja, Herr, mach doch mit mir und uns, was DU willst!!“ Trotz aller neu gewonnenen Zuversicht blieb ein grauer Schleier über meinem Leben. Der Schmerz über der Kinderlosigkeit wollte nicht heilen. Oft brannte er wie Feuer, besonders im Zusammensein mit Müttern oder Familien. Ich fühlte mich beschämt. Wie ein Kind, das bei der Weihnachtsbescherung vergessen wurde. Ich meinte die Blicke zu spüren, die sagten: „Ihr Glaube ist zu schwach! Sie hat nicht genug gebetet!“ Über meinem Leben prangte die Überschrift: „Benachteiligt! Beraubt! Zu kurz gekommen!“

Was für ein Irrtum!! Durch das Hören von Vorträgen über den Propheten Hosea bewirkte Gott ein weiteres Wunder. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen: diese Rolle der „Benachteiligten“ war auf „meinem Mist“ gewachsen. Das war nicht Gottes Weg für mich. ICH hatte mich von diesem „Familien-Ideal“ beherrschen lassen. ICH hatte mein Lebensziel so definiert und „versagt“. ICH hatte mich „in die zweite Klasse“ versetzt. So wollte ich nicht weiterleben! Ich beschloss, aus diesem „Programm der Benachteiligten“ auszusteigen. Und ich tat es! Jesus sollte wieder den Platz auf dem Lebensthron einnehmen. Jesus allein! Und das tat ER!! Mein Leben steht heute unter der Überschrift: „Ich bin eine Bevorzugte!!“ Bevorzugt, weil ich in die Lebensgemeinschaft mit Jesus berufen bin! Es gibt kein Glück außerhalb von Jesus! Weder mit Kindern noch ohne! Ich weiß nicht, wie lange mein lieber Mann und ich zusammen sein dürfen. Und ich weiß, dass der Schmerz über der Kinderlosigkeit immer wieder da sein wird. Aber eines weiß ich ganz sicher: ich habe ein gutes „Erbteil“ von Jesus erhalten. Und in diesem will ich leben! Als Geliebte! Als Bevorzugte!

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